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Ortsteil Wartjenstedt

Der Sage nach hat Wartjenstedt seinen Namen dadurch erhalten, dass sich Kaufleute vor dem Ort, an dem sie von Raubrittern, die von der Burg Lichtenberg aus ihr Unwesen trieben, überfallen und ausgeraubt worden waren, gegenseitig mit den Worten "Waret je de Stäe" - Hütet euch an dieser Stelle, seid vorsichtig - warnten.

Soweit die Sage. Die Wirklichkeit der Ortsnamensdeutung sieht jedoch etwas anders aus. Wartjenstedt bedeutet "Wahrzeichenstätte", bereits 1226 wird in einer Urkunde der Ort "Wertekenstide" genannt. Um was für ein Wahrzeichen es sich handelte, ist nicht bekannt.

Aus der Historie...

Zuvor tauchte Wartjenstedt - ebenso wie Baddeckenstedt, Rhene, Binder und Haverlah - erstmals in einem nicht datierten Lehnsregister aus der Zeit von 1153 bis 1178 auf, in dem Graf Ludolf von Wohldenberg seine vom Reichsstift Gandersheim erhaltenen Güter aufführt.
Weiterhin waren die Edelherren von Meinersen in Wartjenstedt begütert, Luthard der Ältere wird 1226 und die Gebrüder Luthard und Burchard werden 1276 erwähnt.

Am 20. Januar 1270 unterzeichnete König Richard von Cornwallis in Wartjenstedt zwei Urkunden. Richard (1209 bis 1272) war während des Interregnums, der kaiserlosen Zeit (1254 bis 1273) von 1257 einer der deutschen Könige. Am 25. August 1298 übertrug Herzog Otto von Braunschweig dem Kloster Derneburg zwei Hufen in Wartjenstedt.

Erbitterte Ritterfehden, die von 1380 an zwanzig Jahre lang das Stift Hildesheim verwüsteten, mögen auch an Wartjenstedt nicht spurlos vorübergegangen sein, denn 1384 wurde ein Borchard von Goddenstide vertraglich verpflichtet, "dat he den Rad (von Braunschweig) leddig unde los leyt umme den scaden to Wartekenstidde". Die Stadt Braunschweig brauchte somit nicht für Schäden aufzukommen.

Wie im benachbarten Binder hatte auch in Wartjenstedt die Familie von Linde Besitzungen, ihr gehörte der dortige Edelhof. 1553 gelangte er in die Hände des Kanzlers Dr. Johann Stopler, der dem Braunschweiger Herzog diente. Nach Erlöschung dieser Familie folgte als Besitzer des Hofes 1816 die Grafenfamilie zu Münster.

Wie sehr der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 die Ortschaft heimsuchte und wie schnell sie sich von dessen Schrecken erholte, zeigen einige Vergleichszahlen. 1644 waren in Wartjenstedt von den neun Höfen drei zerstört. Lediglich 19 Hufen und 13 œ Morgen Land wurden beackert. An Vieh waren nur 13 Pferde und 13 Kühe vorhanden.

Sechzehn Jahre nach Kriegsende zählt ein Register im Jahre 1664 genau 121 steuerpflichtige, über 14 Jahre alte Personen auf. Außer dem Ortspfarrer und dem Küster werden sieben Vollspänner, 18 Kotsassen, sieben Brinksitzer, vier Häuslinge, ein Müller (Bindermühle) sowie je ein Kuh- und Schweinehirt genannt. In den Wartjenstedter Stallungen standen 59 Pferde, 83 Kühe, 148 Schweine und 47 Schafe. Bebaut wurden 883 œ Morgen Land.

46 Jahre lang bestand in Wartjenstedt eine Poststation. Am 1. Oktober 1818 wurde nämlich die "Relaisstation" Nettlingen aufgehoben und eine neue Station in Wartjenstedt angelegt. Diese neue Station hatte bis 1825 die Bezeichnung "Postcollection" und wurde vom Posthalter Carl Ahrens verwaltet. Vom 1. April 1825 an führte die Station den Namen "Postspedition", Carl Ahrens und sein Nachfolger Caspary nannten sich "Postspediteure".

1863 wurde der Posthof im Rahmen einer Erbteilung verkauft. Die neuen Besitzer, Landwirt Fuhst, dann Schaare, kündigten den Pachtvertrag mit dem General-Postdirektorium in Hannover. Diese ließ am 15. Februar 1864 die Poststelle Wartjenstedt schließen und sie nach Grasdorf verlegen.

Am 12. Januar 1873 wurde unter großer Beteiligung der Dorfbevölkerung die neue Kirche eingeweiht. Der Planer und Erbauer des Gotteshauses, der Hannoversche Konsistorialbaumeister Conrad Wilhelm Hase (1818 bis 1902) konnte an diesen Feierlichkeiten jedoch nicht teilnehmen - ihn plagten Zahnschmerzen.

Am Sonntag Trinitatis 1870 hatte man den letzten Gottesdienst in der alten Kirche gefeiert, sie dann abgebrochen und danach das neue Kirchenschiff an den aus dem Mittelalter stammenden Kirchturm angebaut. Einschließlich einer neuen Orgel kostete der Neubau 8 082 Taler.

Wartjenstedt hatte in den vergangenen 450 Jahren fast immer einen eigenen Pfarrer. Lediglich von 1932 bis 1942, 1952 und 1953 sowie von 1966 bis 1973 wurde es von anderen Pfarrämtern aus versorgt. Seit 1973 bilden die evangelischen Gemeinden Binder, Wartjenstedt, Osterlinde und Westerlinde einen Pfarrverband mit Sitz in Westerlinde. Die katholischen Christen werden vom Pfarramt Wohldenberg aus betreut. Eine eigene Schule hat der Ort seit 1963 nicht mehr.

Wartjenstedt heute...

Das kulturelle Leben im Dorf wird überwiegend von den fünf Vereinen beziehungsweise Vereinigungen gestaltet, nämlich vom Gemischten Chor (gegründet 1865), von der 1896 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr, vom 1946 ins Leben gerufenen Sportverein Wartjenstedt - Binder - Rhene (WBR), vom etwa 20 Jahre alten Angelverein und vom 15 Jahre alten Wartjenstedter Carnevalsclub WCC.

Hatte Wartjenstedt im Jahre 1883 noch 285 Einwohner, so erhöhte sich diese Zahl in den folgenden 115 Jahren bis zum 31. Juli 1998 um 40 Prozent auf 398 und gehört damit zu den kleineren Ortschaften der Gemeinde Baddeckenstedt und auch der Samtgemeinde.

 

(Text: Wilfried Bartels †2004)